Endlich die Südsee
Über die wundersamen Horoskope des Martin Hudelmaier
—Prof. Wolfgang Längsfeld, 1977
Nehmen Sie Horoskope ernst? Wenn die Sterne gut stehen, ist die Neigung groß, daran zu glauben. Stehen sie schlecht, so sind die Horoskope schnell als ein Schmarrn abgetan. Was immer auch daran sein mag: Was die Sterndeuter errechnen, sind keine exakten Analysen und keine zuverlässigen Prognosen, das sind eher Tips und Warnungen, Fingerzeige, Aufforderungen, die Schicksalhaftigkeit der eigenen Esistenz in Aktivitäten umzusetzen und nicht in fatalistischer Resignation zu verharren.
Hudelmaier ist ein freundlicher Sterndeuter, der jedermann zuerst einmal die guten Zeichen heraussucht, als wolle er sagen: Die reichen schon aus, dass du als fröhlicher Seefahrer bis zu deinem ureigensten Inselparadies vordringen kannst. Auch da lauern ein paar Gefahren, aber wenn du dich richtig verhölst, dann schnurren sogar die Tiger, am helllichten Himmel steht der bunte Regenbogen und die Damen haben sich vorgenommen, besonders aufregend zu sein.
Das merkwürdig Utopische an Hudelmaiers astrologischen Portraits ist nicht der auffallende Verzicht auf jede Ähnlichkeit mit den Portraitierten, es ist mehr die Ähnlichkeit der Portraitierten untereinander. Hudelmaiers Schematisierung der welt bis in den Bildaufbau hinein, seine Konstruktionen von Gemeinsamkeiten. Die Südsee dieser Bilder ist wie die Menschen und Tiere, die sie bevölkern, eine künstliche traumhafte Bilderwelt, eine volkstümliche, aber nicht naive, eine plakative, aber nicht platte Ikonographie, deren Zeichen einem populären Code angehören. Die Individualisierung findet – trotz signifikanter Details im Bildteil – eigentlich erst im Text statt. Hier wiederholt sich, was oben in diesen schönen bunten Paradiesen auch passiert: Es herrscht eitel Freude und Sonnenschein, die Portraitierten haben nur gute Eigenschaften mitbekommen, ihnen droht weder Gefahr von innen noch von außen. Sie können sich freuen, von den Sternen begünstigt zu sein wie Sonntagskinder. Auch wenn Hudelmaiers Menschenfreundlichkeit, sein hilfreicher Ansatz und seine Friedfertigkeit dafür das Motiv liefern, bleibt Hudelmaiers Kunst der neuen Bilder ein gefährlicher Balanceakt, den er noch in hoher Artistik und lächelnd beherrscht, während wir immer bangen, gleich stürzt er ab, wird platt wie ein Werbeplakat und fängt an, seinen Klienten nur noch Honig ums Maul zu schmieren. Die Gefahr liegt nahe, aber dieser Schwabe turnt seine ausgeklügelte Kür so diszipliniert und leichtfüßig nach selbstgesetzten Regeln, dass sich diese Gefahren bei näherem Hinsehen wie absichtlich eingebaute Kunststücke ausnehmen. Daher kommt´s auch, dass man ihn dann doch ohne jedes Unbehagen als Künstler und Astrologen gleichermaßen ernst nehmen kann, auch wenn man mit zunächst kopfschüttelndem Erstaunen hört, dass er seine astrologischen Arbeiten nun auch auf den Entwurf von Kochrezepten und Getränken ausweitet.
Bleibt zu hoffen, dass diese Bemühungen ebensolche frisch fröhlichen, heiter ernsten, einfach klaren Ergebnisse hervorbringen, wie seine Malerei. Wenn wir dann alle endlich unsere eigene Südsee gefunden haben werden, wird Martin Hudelmaier sicherlich längst den klaren Sternenhimmel der Antarktis nach einem neuen einfachen Glück ausforschen oder mit den Astronauten auf große Fahrt gehen und ungeheuer komplizierte Sachen so darstellen, dass sie jedermann auf lustvolle Weise einsichtig werden.