Trauerarbeit am eigenen Sarg
—Raimund Hoghe, Die Zeit, Ausgabe 37, S.43, 07.09.1979

Der Ritter Burkart von Ehingen hatte die eigene Totenbahre bereits vor seinem Tode im Jahr 1467 am Bett stehen und nutzte sie beim Ein- und Aussteigen als Trittbrett.

Nach der Seeschlacht von Abukir ließ sich der englische Seeheld Horatio Nelson 1798 aus dem Mast des gegnerischen Admiralschiffes einen Sarg zimmern, den er seit dieser Zeit mit sich führte und in dem er dann auch 1806 beigesetzt wurde.

In der Pariser Wohnung der Schauspielerin Sarah Bernhardt stand der Sarg vor dem Fenster. In dem für die letzte Ruhe gedachten Möbel memorierte sie zunächst Texte ihrer großen Rollen, später fand sie es selbstverständlich, jede Nacht in „ma derniere couchette“ zu schlafen.

Seit November letzten Jahres lebt auch der Maler Martin Hudelmaier mit seinem Sarg. „Zu dieser Zeit habe ich in meinem Horoskop Konstellationen, die zum Tode führen können, erkannt. Dieses Warnsignal hat mich zur Arbeit an meinem Sarg bewegt“, berichtet der Dreißigjährige im Katalog zur Ausstellung „Der Sarg bei Lebzeiten“. Als eine der Rahmenveranstaltungen, zu der von der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e. V. zusammengestellten und im Bonner Wissenschaftszentrum gezeigten Präsentation von rund vierhundert Exponaten zum Thema „Wie die Alten den Tod gebildet – Wandlungen der Sepulkralkultur 1750–1850“ war sie in der vergangenen Woche im Kultur-Forum Bonn zu sehen.

„Der ästhetische Charakter unserer Särge“, so Hudelmaier, „ist gottlos und monoton. Sie haben nichts von Menschenwürde an sich, sondern ähneln vielmehr Kisten, in denen man Fabrikware verpackt, um sie auf weite Reisen zu verschicken.“ Ähnlich kritische Töne über normierte Sargkonfektion waren bei der Ausstellungseröffnung auch von der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal zu vernehmen. Für einen sensiblen Menschen sei „das heutige Sargangebot“ nur schwer zumutbar, meinte Dr. Hans-Kurt Boehlke, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, und bedauerte, daß man sich im allgemeinen nicht dagegen wehren könne, „im Tode in Geschmacklosigkeit gebettet zu werden“. Dr. Boehlke: „Kann man es da Martin Hudelmaier verdenken, wenn er Vorsorge trifft? Vorsorge für ein ihm gemäßes Gehäuse, in dem er fröhlicher ruhen kann?“

Ob die Ruhe nun fröhlich wird oder nicht: von außen betrachtet hat der neben Bildern Hudelmaiers ausgestellte Sarg durchaus seine Reize, wirkt ebenso fröhlich wie persönlich. In Volkskunstmanier und leuchtenden Farben bemalte der Künstler sein Totenhaus, mit dem er sich von schmucklos tristen Eichen-, Buchen- und Tannensärgen abhebt und „ein Signal für Menschenwürde und -rechte geben“ will. Gemäß der Forderung, „Der Sarg sollte eine Äußerung unseres Ichs, unserer Persönlichkeit sein“, malte er aufs schlichte Gehäuse unter anderem Südsee-Sehnsuchts-Motive, Menschen, Tiere und läßt auf dem überwiegend in lichten Blautönen gehaltenen Schmuckstück auch spezielle Interessen erkennen. „Denn von der Wiege bis zum Tod begleitet Dich Dein Horoskop“, schrieb der astrologisch ambitionierte Maler auf seinen Sargdeckel.

„Besondere Sympathie“ weckte bei Sepulkralkultur-Kenner Boehlke jedoch ein anderes ungewöhnliches Sargdetail: die an den Seiten angebrachten Bullaugen. Noch lieber als in so einer mit Schiffsfenstern ausgestatteten Ruhestätte würde er jedoch „in Segeltuch genäht und mit schweren Gewichten versehen“ auf dem Meeresgrund seine letzte Ruhe finden, bekannte der ehemalige Seemann. Nur: dem stehen die derzeit gültigen Bestattungsvorschriften entgegen. Der Wunsch, in einem bemalten Sarg begraben zu werden, könne einem dagegen nicht verwehrt werden, erläuterte Dr. Boehlke interessierten Ausstellungsbesuchern und stellte schließlich fest, daß mit Malerei versehene Särge nichts Neues seien. Noch bis ins Biedermeier habe man sie gehabt, und erst mit den Gründerjahren seien die heute üblichen Särge an ihre Stelle getreten.